Impuls Vortrag: Der Dokumentarfilm als frei verfügbares Kulturgut – eine Case Study zu All Creatures Welcome

Impuls Vortrag: Der Dokumentarfilm als frei verfügbares Kulturgut – eine Case Study zu All Creatures Welcome

Wann:
09/21/2018 ganztägig
2018-09-21T00:00:00+02:00
2018-09-22T00:00:00+02:00
Wo:
Kunsthochschule für Medien (KHM)
Cologne
Germany

Impuls Vortrag: Der Dokumentarfilm als frei verfügbares Kulturgut – eine Case Study zu All Creatures Welcome //

„Es wird Zeit, eine Debatte darüber anzustoßen, welchen Stellenwert Kultur und Wissen in einer digitalen Gesellschaft haben“

 

Die Filmemacherin Sandra Trostel im Gespräch

 

Sie haben einen neuen Dokumentarfilm gedreht „All Creatures Welcome“, in dem Sie die digitale Utopie (die sich in den letzten Jahren eher als eine Dystopie dargestellt hat) nochmals angehen in Bezug auf eine Open Culture-Politik. Ihre These ist dabei nach meinem Verständnis, dass die Filmförderpolitik und die TV-Auftragsproduktionen die FilmemacherInnen in die Falle treiben, ihre Urheberrechte verteidigen zu müssen, weil Creative Common-Lizenzen unter diesen Bedingungen nicht möglich sind. Können Sie das erläutern?

 

Da die digitalen Entwicklungen der letzten Jahre meist aus einem dystopischen Blickwinkel betrachtet werden, will ich mit meinem Film dem etwas entgegensetzten. „All Creatures Welcome“, skizziert, begleitet von dem Aufruf „use hacking as a mind set“, ein utopisches Bild der Gesellschaft im digitalen Zeitalter und erforscht auf den Veranstaltungen des Chaos Computer Clubs eine real gewordenen Reflexion des virtuellen Spektrums. Inhaltlich, aber auch in Fragen der Finanzierung und Distribution, wollen wir deshalb mit „All Creatures Welcome“ beispielhaft neue Wege gehen, denn ich denke, mit dystopischen Gedanken gestalten wir keine lebenswerte Zukunft.

Eines der größten Probleme ist meiner Meinung nach unsere Unbeweglichkeit. Wir denken in einem Pre-Internet-Rahmen und versuchen, dieses System in eine Welt hineinzupressen, die gänzlich anders funktioniert. An dieser Stelle entstehen dann solche unsinnigen Dinge wie z.B. die Idee eines „Upload Filters“ – eine künstliche Beschränkung, die eine alte Welt der Verknappung erhalten soll. Dabei gilt im Internet die Regel, dass aus Teilen mehr und nicht weniger wird. „All Creatures Welcome“ wird nach einer Festival- und Kinoauswertung voraussichtlich zum Ende des Jahres unter einer Creative Commons-Lizenz (CC-BY-NC-SA) frei verfügbar im Internet veröffentlicht. Das ist durch den Verzicht auf eine den Filmfördergesetzen unterworfene staatliche Förderung (Wirtschaftsförderung) und auf die Gelder der öffentlich–rechtlichen Anstalten überhaupt erst möglich. Der Film wurde komplett durch ein Crowdfunding finanziert, an dem sich circa 1.000 Personen und zu einem beträchtlichen Anteil der VPN–Provider www.ipredator.se beteiligt haben, die sich für einen freien Zugang zu Kultur, Wissen und Bildung einsetzen. Dieser Film konnte aufgrund seiner Thematik und Zielrichtung über alternative Wege realisiert und dadurch frei verfügbar gemacht werden – das gelingt aber nicht allen. Ich denke es wird Zeit, eine Debatte darüber anzustoßen, welchen Stellenwert Kultur und Wissen in einer digitalen Gesellschaft haben und ob wir die Definition des digitalen Raums vornehmlich wirtschaftlichen Interessen überlassen wollen. Was könnten neue, zukunftsfähige Lösungsansätze zur Verbreitung und Finanzierung künstlerischer und wissenschaftlicher Arbeiten sein? Sollten öffentliche Gelder nicht eingesetzt werden, diese Errungenschaften schwellenfrei jedem zugänglich zu machen?

 

Was erhalten dann die FilmemacherInnen für Ihre kreative Arbeit? An welcher Stelle in der Open Culture-Politik wird „Verdienst“ generiert?

 

Filmemacher*innen und auch Produzent*innen im Dokumentarfilmbereich erwirtschaften in den seltensten Fällen einen Gewinn. Das sieht man an den Rückzahlquoten der Filmförderungen. Wir leben vom Produzieren (wenn wir überhaupt davon leben können). Mein Ansatz verfolgt die Idee von Öffentliches Geld = Öffentliches Gut und das Konzept von Dr. Rufus Pollock, das neben der staatlichen Förderung durch Steuergelder, bzw. gezielter Abgaben, eine weitere Vergütung, gemessen durch Klicks, vorsieht. Das Modell der gezielten Abgabe ist ja bereits durch die Haushaltsabgabe für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk installiert und müsste “nur“ neu gedacht werden. Ich denke, dass wir rein wirtschaftlich gesehen, mit solch einem neuen Modell am Ende sogar besser dastehen würden als das jetzt der Fall ist. Und wir wären so auch in der Lage, unsere Filme einer breiten Masse zur Verfügung zu stellen denn dafür machen wir sie ja, oder?

 

Was glauben Sie generell: Ist das Konzept der Autorschaft in der digitalen Produktion und im Vertrieb noch haltbar? Sind die essenziellen Definitionen von Autorschaft – künstlerische Autonomie, Verantwortung für das Kunstwerk, Beibehalten der Kontrolle in der Herstellung – noch anwendbar?

 

Ich denke, es wird weiter Autorenschaft geben und sie wird auch gebraucht. Der User und die Demokratisierung der Mittel werden den Autor nicht ersetzen. Allerdings, denke ich, sollten wir 2018 die technischen Möglichkeiten nicht außer Acht lassen und unseren Horizont, unsere eigene Realität, auch als Autoren, erweitern und einfach auch mal loslassen. Für „All Creatures Welcome“ wird gerade eine Plattform gebaut, auf der ich extra Szenen und Rohmaterial und natürlich den Film selber, zum Remixen zur Verfügung stellen werde. Außerdem wird es möglich sein, eigene Aufnahmen und andere kulturelle Äußerungen in die Plattform zu integrieren, um so das Universum von „All Creatures Welcome“ zu erweitern. Ziel des Projektes ist es, anderen individuellen Perspektiven Raum zu geben und zudem ein Archiv des kulturellen Wissens um die digitalen Communities kollektiv aufzubauen, das unabhängig von den großen Plattformen existiert und verschiedene Sichtweisen widerspiegelt. Ich hoffe, es wird eine unendliche Reise durch die Vielfalt der Chaoswelt und der mit ihr verbundenen gesellschaftlichen Gruppen entstehen.

Programm:

http://www.dokumentarfilminitiative.de/index.php/burgermenue/aktuell-burger/symposium2/dfk2programm

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